"Gebet"
Kantate für Countertenor-Solo, Vokalquartett, Kinderchor, gemischten Chor,
zwei Saxophone und grosse Orgel
Im Zentrum der sechs-teiligen Kantate steht das "Vaterunser" als das alle christlichen Konfessionen verbindende Gebet. Den Sätzen des "Vaterunser" gegenübergestellt werden weitere Texte aus der Bibel (aus den Psalmen, Hiob, den Klageliedern, dem Hohelied), dem apokryphen Thomasevangelium, sowie von Meister Eckehart und Friedrich Nietzsche.
Den Sängerinnen fallen bestimmte Rollen zu. So verkörpert der Solist (Countertenor) einen Prediger (im Sinne von "Kohelet"), der in dieser Funktion gleichzeitig ein Suchender, ein Zweifelnder und ein Mystiker ist. Die Chöre stehen für Menschen, die leiden, sich freuen, trauern, Angst haben, hoffen. Dabei stellt der Kinderchor wiederholt offene Fragen und Schlüsselbegriffe wie Vater / Mutter, Ich / Du, Gott, Name in verschiedensten Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Kurdisch, Arabisch, Japanisch, Hebräisch u.a.) in den Raum. Das Vokalquartett bildet eine Art betende Gemeinde und singt den ganzen Text des "Vaterunser" nach Matthäus 6, 9-13 auf Deutsch und Latein. Gegen Ende lösen sich einige Sänger aus der festen Chorgruppe und suchen Wege durch den Kirchenraum.
Die Situationen der sechs Kantaten-Teile kurz umrissen:
I "Vater unser im Himmel"
Der einsame und zurückgewiesene Mensch im leeren Raum (Hiob: "Ich schreie zu dir, und du antwortest mir nicht". Nietzsche: "Irren wir nicht durch ein unendliches Nichts?"). Da hinein die Anrufung an Gott als einen Vater.
II "Geheiligt werde dein Name. / Dein Reich komme."
Das Göttliche (das "Numinose") als "mysterium tremendum et fascinans".
Die Sehnsucht nach einer Vereinigung mit dem Göttlichen ausgedrückt in der Erwartung eines ewigen Gottesreiches ("maranatha").
III "Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. / Unser tägliches Brot gib uns heute."
Chaos der Emotionen, Menschen in Extremzuständen. Verzweiflung, Hilflosigkeit. Da hinein gestellt die Bitte nach dem täglichen Brot. In diesen dritten Teil sind die liturgischen Fürbitten integriert.
IV "Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern."
Repetitives Gebet (in der Art einer Litanei).
V "Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen."
Menschen auf der Suche, ihre eigenen Wege gehend (Thomas-Evangelium: "Wer das All erkennt, sich selbst aber verfehlt, der verfehlt das All.") Innerhalb des fünften Teils betet die Gemeinde gemeinsam mit allen Sängerinnen das "Vaterunser."
VI Doxologie: "Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen."
Eine Vorstellung von Liebe und Einheit (Meister Eckehart: "Und in diesem Einen sollen wir ewig versinken vom Etwas zum Nichts"). Am Ende bleiben die individuellen Fragen, die Wege weisen ins Offene, einige Sänger verlassen den Kirchenraum, in dem sie vorher suchend umhergegangen sind.
"DER KUNST AUSGESETZT" BUCH MIT BEITRÄGEN DES 5. INTERNATIONALEN KONGRESSES FÜR KIRCHENMUSIK
Rezension zum Kongress in der SMZ
RADIO SRF INTERVIEW JUDITH WIPFLER MIT LUKAS LANGLOTZ (Audio)
RADIO SRF INTERVIEW JUDITH WIPFLER MIT LUKAS LANGLOTZ (Text)